"Erfahrung Paartherapie": Dorothea Perkusic über Erotik und Sinnlichkeit
Dorothea Perkusic kreiert mit ihren Paaren und Klient*innen Veränderungen von Körper, Gefühl und Wissen – und schenkt ihnen damit eine neue Definition von Erotik. Das jedenfalls war mein Eindruck als ich Dorothea Perkusic zum ersten Mal persönlich getroffen habe. Und dieser Eindruck festigt sich ich in ihren Zeitungsartikel, ihrer Webseite, auf ihrem Instagram-Kanal und schließlich auch in diesem Interview für „Erfahrung Paartherapie“.
Dorothea Perkusic bietet Einzel- und Paartherapie sowie Sexualtherapie in Rosenheim an und nutzt in ihrer Arbeit unter anderem systemische Methoden, Wissen aus der Traditionell Chinesischen Medizin und körpertherapeutische Elemente aus ihrem Wissen als Yogalehrerin. In diesem Gespräch für „Erfahrung Paartherapie“ erfahrt ihr mehr über Erotik. Was bedeutet sie für Paare? Wie könnt ihr Zuhause eine passende Atmosphäre schaffen? Und welche drei Tipps hat sie für glückliche Beziehungen?
Hallo Doro, warum greifst du in einer Paartherapie auch auf Wissen aus der Traditionell Chinesischen Medizin zu?
Dorothea Perkusic: Meine Erfahrung der letzten Jahre und mein eigener Anspruch ist es, Dinge spürbar und fühlbar zu machen, sowie einen Entwicklungsprozess anzustoßen. Dafür biete ich den Menschen mitunter auch Kognitives und Wissen aus der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM) an. In der „TCM“ bilden Körper, Geist und Seele eine untrennbare Einheit. So kann jeder leichter verstehen, warum bin ich so, warum fühle ich so, wie hängen körperlichen und seelische Beschwerden zusammen.
Mit diesem Bewusstsein können sich Klient*innen leichter darauf einlassen, ihre Muster zu hinterfragen und eine Veränderung anzuregen. Außerdem hilft es, in bestimmte Erfahrungen reingehen zu können: Hingabe, sich fallen lassen, sich stärken und auch Erotik. Ich arbeite deshalb eng mit Dr. Bürklin, einer großartigen Neurologin und Ärztin für Traditionelle Chinesische Medizin in Bad Aibling zusammen. So können beispielsweise Stagnationen und Blockaden auf körperlicher Ebene der Organe und des Energieflusses behoben werden, damit Menschen erstmal in die Kraft kommen, eine Veränderung anstoßen zu können. Dadurch wird häufig eine gute Basis für eine erfolgreiche Therapie bei mir geschaffen. Das ist auch für die Sexualität und die Erotik essentiell. Erotik ist in jeder Paarbeziehung ein wichtiges Thema.
Wie ist es für deine Klient*innen, mit dir über Erotik zu sprechen?
Dorothea Perkusic: Die meisten, würde ich jetzt behaupten, sprechen erstmal nicht über Erotik, denn sie wissen häufig gar nicht, was Erotik für sie bedeutet. Es geht zunächst meist eher um Sexualität, um Leistung und Funktion, um Frequenz, um Aufgeschlossenheit, um Experimentierfreudigkeit. Also ganz wenig um das für Erotik und echte Intimität notwendige Vertrauen, um Atmosphäre, darum zart sein zu dürfen, ohne deshalb als langweilig zu gelten, sich einzulassen, gemeinsam zu forschen und sich einander wirklich zuzuwenden. Dafür muss dann erst ein Bewusstsein geschaffen werden. Es ist so viel mehr möglich als das, was viele bisher erlebt haben. Dies ist oft sogar die größte Arbeit. Ich würde sogar behaupten, dass Erotik für die meisten ein Fremdwort ist und sie Erotik am ehesten vom kribbelnden Zustand des frisch verliebt Seins ableiten.
Wie würdest du dann Erotik definieren?
Dorothea Perkusic: Sinnlich, also tatsächlich alle Sinne ansprechend. Schmecken, riechen, fühlen, sehen und hören. Wach, genussvoll, offen, sich einlassend, zulassend, ein bisschen spielerisch, humorvoll. Humor ist ein wichtiger Baustein in der Erotik: miteinander schmunzeln zu können und Lippen, die so ein zartes Grinsen umspielt.
Jetzt kommen Menschen ohne diese Definition von Erotik zu dir. Wie beginnst du, diese Sensibilität im wahrsten Sinne des Wortes zu kreieren?
Dorothea Perkusic: Meistens fängt es in der Paartherapie sehr pragmatisch an. Ich frage erstmal, wie sie Sex erleben und wie viel Fokus auf dem eigenen Körper liegt; wie der Blick auf den eigenen Körper ist; wie offen und frei sich jemand fühlt; ob sie wissen, was sie brauchen, was ihnen gut tut, womit sie sich wohlfühlen und auch, ob sie ihre Grenzen kennen. Es gibt keine Grenzenlosigkeit in der Lust, wenn ich um meiner Begrenzungen nicht weiß oder diese nicht formuliere. Meistens hackt es dann da. Häufig wurde Vieles ausprobiert und trotzdem noch nichts erlebt, was sinnlich, erotisch und auf allen Ebenen befriedigend ist. ,
Erleben ist ein schönes Stichwort. Was gibst du deinen Klienten aus der Paartherapie mit, um diese erotische Verbindung aus Körper und Geist zu erleben?
Dorothea Perkusic: Von mir kommt die klare Aufforderung, sich damit auseinander zu setzen und unterschiedliche Nuancen von Erotik zu erleben. Das kann beispielsweise damit anfangen, einen erotischen Film anzuschauen und zu beobachten, was passiert. Was machen der Kopf, die körperlichen Reaktionen, die Seele? Es geht darum, einfach mal in das Fühlen, die Vollkommenheit die Funktions- und Genussfähigkeit des eigenen Körpers zu kommen. Denn das ist ein Bereich, wo meistens etwas passiert, ohne dass ich es zwangsläufig gut finden muss. Das kann eine ganz spannende Erfahrung sein.
Genauso und vor allem geht dies darüber, sich in verschiedenen Arten und Intensitäten von Berührung gemeinsam auszuprobieren. Ich ermutige Menschen, sich auf eine für sie ganz ungewöhnliche Art und Weise zu begegnen. Zum Beispiel können sie eine besondere Atmosphäre kreieren, Kerzen anzünden, sich ins Bett legen und nur in die Augen schauen. Oder sich nur am Arm berühren und schauen, wie fühlt sich das an, was löst es aus. Ist es schöner, wenn die Berührung sanft oder wenn sie zupackend ist? Treten Widerstände auf oder Ängste?
So kann jeder erleben, was er/sie braucht und sie nehmen die unterschiedlichen Nuancen von Erotik wahr. Das ist ein sehr spielerischer Umgang und es geht erstmal ums Differenzieren und annähern. So ins Fühlen und Erleben zu kommen, braucht Mut. Schließlich zeigt man sich offen, ist verletzlich, unsicher oder fühlt vielleicht Scham für das, was man begehrt und möchte. Gleichzeitig kommt so der entscheidende Prozess für die Entwicklung in Gang.
Wie gibst du Paaren in der Paartherapie diesen Mut?
Dorothea Perkusic: Ich sage da eigentlich immer ganz direkt, dass das einzige Risiko ist, dass sie scheitern. Entweder sie scheitern, weil sie so weitermachen wie sie es bis jetzt gemacht haben. Oder sie scheitern, weil das was sie neu probieren nicht funktioniert. Die Chance dazu zu gewinnen und sich gemeinsam in ein erfüllenderes Miteinander zu entwickeln, ist jedoch realistisch und da beide etwas wollen, größer. Und da würde ich eben etwas Neues ausprobieren. [lacht]
Letztlich ist es eine Entscheidung, sich hinauszuwagen und etwas für sich zu versuchen ohne es von vornherein abzulehnen. Das ist nicht nur eine Herzentscheidung, sondern auch eine Kopfentscheidung.
Was empfiehlst du bei unterschiedlichen Vorstellungen oder wenn der/die eine viel sinnlicher ist als der/die andere?
Dorothea Perkusic: Unterschiede können sich sehr gut ergänzen – oft tun sich verschiedene Typen sogar gegenseitig ganz gut, Reibung erzeugt Bewegung und Fortschritt. Die Idee mit dem „passenden Deckel auf dem Topf“ ist eine feine Sache. Aber das heißt ja noch lang nicht, dass darin auch immer dasselbe Gericht gekocht werden muss.
Dazu kommt, dass wir nicht immer definieren können, was unsere Parameter sind. Keiner ist in der immer gleichen Stimmung. Und das ist natürlich nicht nur sexuell so, sondern generell. Mal ist man aktiv, taff und voller Kraft, am nächsten Tag ist man vielleicht eher passiv, schwach und bedürftig und braucht ganz viel Wärme. Und es ist gut, dass es so ist. Das macht uns Menschen aus. Es geht schließlich darum, all diese unterschiedlichen Teile und Polaritäten anzunehmen und anzuerkennen.
Bei großen Unterschieden in der Vorstellung oder bestimmten Neigungen bei Sex und Erotik, muss man manchmal Kompromisse schließen und vielleicht auch auf das ein oder andere verzichten, wenn der/die andere nicht mitgehen kann oder will. Hier gilt es auch, die jeweiligen Grenzen zu achten oder gegebenenfalls andere Lebensmodelle zu finden, um sich voll ausleben zu können. Darüber muss offen gesprochen und verhandelt werden.
Was gibst du Paaren mit, die im Alltagsstress zwischen Kindern und Job ihr Liebesleben jonglieren müssen?
Dorothea Perkusic: Es ist einfach eine Tatsache, dass die Zweisamkeit durch Kinder beeinträchtigt wird und, dass dadurch Schwierigkeiten in der Paarbeziehung entstehen können und wahrscheinlich werden. Da sollte sich vorher keiner etwas vormachen. Gerade nach einer Geburt, verlagert sich der Fokus enorm. Hormone und die körperliche Umstellung tuen ihr Übriges dazu. Das ganze Leben und auch die Liebesbeziehung verändern sich. Und mit dieser Veränderung muss man als Paar mitgehen und nicht dagegenhalten.
Es ist eine Frage des Miteinanders. Die meisten Beziehungen sind extrem vom Alltag geprägt: Job, Kinder, Probleme, Sorgen und all das, was eben da ist und sein muss. Dort geht es vor allem darum, sich bewusst Zeit zu nehmen und Anreize und Atmosphäre zu schaffen, in der man sich entspannen und aufeinander einlassen kann. Das funktioniert natürlich über Gespräche und indem man sich füreinander und das Innenleben der/des Anderen interessiert und sich gegenseitig zeigt, dass man sich ernst nimmt. So entsteht eine Nähe, die für Erotik nötig ist.
Es gibt immer mal Strecken im Leben, wo die körperliche Nähe zu kurz kommt oder sich die Bedürfnisse unterscheiden. Es gibt für alles eine Zeit. Und manchmal liegt der Fokus eben auf etwas anderem. Nicht jedem ist Sex immer gleich wichtig. Das muss man sich bewusst machen und bereit sein, damit umzugehen, Durststrecken auch mal auszuhalten und trotzdem am Ball zu bleiben, um sich nicht aus den Augen zu verlieren.
Das heißt, Atmosphäre bedeutet nicht nur Kerzenlicht, sondern bezieht sich vor allem auf das Miteinander?
Dorothea Perkusic: Ich glaube ganz und gar nicht, dass Kerzen brennen müssen und der Korken der Weinflasche ploppen muss. Das sind schöne Bestandteile, die man mit hinzufügen kann. Die Atmosphäre, die es braucht, entsteht erst durch Aufmerksamkeiten, Achtung, Respekt und Wertschätzung. Das kann manchmal banal sein und bei der Frage beginnen, wie ich meinem Partner begegne, wenn ich abends nach Hause komme. Ich kann natürlich sagen: „Hallo Schatz“, und ihm einen Kuss aufdrücken. Oder ich nehme mir einfach zwei Sekunden mehr Zeit dafür, schaue ihm in die Augen und frage nach: „Wie geht’s dir? Was brauchst du? Schön, dass du da bist.“
Genauso wichtig kann auch sein, zu informieren was man selbst gerade braucht oder warum die Laune so oder so ist, damit der andere weiß, womit er umgehen soll. Damit sende ich einfach ein paar Signale, die eine wohlwollende Atmosphäre schaffen.
Was ist für dich das Schönste in der Paartherapie und was ist das, was Paare in einer Paartherapie bei dir finden können?
Dorothea Perkusic: Mir macht macht meine Arbeit sehr viel Freude und ich liebe meinen Beruf [lacht], er ist letztlich Berufung. Mein Anspruch ist es, dass Paare am Ende jeder Sitzung gute Impulse, Denkanstöße oder Erkenntnisse mit nach Hause nehmen, die Verbindung schaffen. Und das kann manchmal auch der Schmerz sein. Die Rückmeldung, die ich hier aber bekomme: Paartherapie hat etwas sehr Verbindendes und kann auch humorvoll sein. Vor allem ist eine gemeinsame Paartherapie auch ein großes Geschenk an den Partner. Denn Paare lassen sich gegenseitig daran teilhaben, was in ihnen vorgeht und signalisieren, dass sie zur Lösung und Verbesserung ihrer Situation an einem Strang ziehen.
Jetzt sind wir schon beim Thema Rückmeldungen von Paaren. Wie beschreiben Paare denn deinen Stil als Therapeutin? Was erwartet quasi neue Klient*innen bei dir?
Dorothea Perkusic: Ich bekomme oft als Rückmeldung, dass ich eine Kombination aus Klarheit und Sicherheit vermittle und immer den roten Faden habe. Ruhe und Klarheit zu bewahren, ein gutes Gespür dafür zu haben, was jemand braucht und wo jeder steht, ist die therapeutische Kunst. Dabei bin ich nie kühl und nüchtern, sondern aufgeschlossen, pragmatisch und mit vollem Herzen dabei. Ich bin einfach von der Möglichkeit, dauerhaft miteinander glücklich sein zu können überzeugt. Liebe ist eine Kraft.
Bei dir könnte ich mir auch gut vorstellen, selbst Klientin zu sein. Du bietest auch Workshops oder Paarwochenenden an?
Dorothea Perkusic: Die Workshops liegen mit Corona erstmal auf Eis. Doch in meiner neuen Praxis, in der ich seit Januar bin, gibt es bald auch wieder körpertherapeutische Seminare und Gruppen, Yogakurse und Workshops, sowie Veranstaltungen zu diversen relevanten Themen und Bereichen. Außerdem biete ich Paarwochenenden an. Das ist gerade für Paare, die eine intensivere Betreuung wünschen eine gute Idee. Wir fahren dann meistens nach Südtirol in ein schönes Hotel und nutzen die Auszeit. Die Entwicklung ist dabei meist intensiv und effektiv. Paare finden hier eine Mischung aus gutem Essen, Bewegung, Paarzeit und eben therapeutischer Zeit, sind erstmal raus aus ihrem Alltag und können sich auf das konzentrieren, worum es geht, kombiniert mit quality time und Genuss.
Was wären deine drei Tipps für eine glückliche Beziehung?
Dorothea Perkusic: Aufrichtiges Interesse und sich auch immer wieder bewusst zu werden, wie wichtig dieses ist. Doch das ist auch eine herausfordernde Komponente. Denn manchmal interessiert es mich nicht, was der Mensch, der mir gerade auf die Nerven geht, redet. In solchen Momenten geht es darum, mit den eigenen Widerständen konstruktiv umzugehen.
Dann braucht eine glückliche Beziehung, dass Paare in Verbindung bleiben. Zum einen im Gespräch, aber eben auch über körperliche Nähe. Das muss nicht zwangsläufig Sex sein, das geht in schwierigen Situationen manchmal einfach nicht. Aber eben liebevolle Berührungen.
Und zuletzt das Bewusstsein dafür, dass das was ich tue, auch genau so zurückkommt. Der andere wirft mir immer nur mein eigenes Bild zurück. Das sind drei eher unromantische Tipps. Natürlich könnte ich auch sagen, geht einmal in der Woche essen und nehmt euch Zeit miteinander – aber das sind ehrlich gesagt die Basics. Umgekehrt, selbst wenn man in einem schicken Restaurant ist, ohne sich füreinander zu interessieren, bringt das eben auch nichts. Die Arbeit fängt maßgeblich im eigenen Inneren an und es geht darum, immer wieder zu schauen, wie geht es mir gerade, was frustriert mich, was nehme ich übel was brauche ich gerade, was brauche ich von meinem Partner und wie kann ich gut für mich sorgen.
Danke liebe Doro, dass du deine Erfahrungen über Erotik und aus der Paar- und Sexualtherapie mit uns teilst!
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Ich bin Dr. Sharon Brehm und biete systemische Paartherapie und EFT-Paartherapie in München an. Gerade wenn ihr aus eurer Streit-Spirale nicht mehr findet oder insgesamt zu einer ausgeglicheneren Liebe zurückkehren wollt, unterstütze ich euch gerne. Meine Praxis für Paartherapie ist im Zentrum Münchens.
Fotocredit Titelbild: Matthew Henry via unsplash