Passen wir zusammen? Ein Selbst-Test

Manchmal sind es nur kurze Gedankenblitze, in denen uns unsere Unterschiedlichkeit auffällt. Wenn über Socken gestolpert wird oder wir uns fragen, wie man nur diese Gardinen auswählen kann. Vielleicht wundert uns auch der Wutausbruch über die vergessene Wurst. Manchmal sind es auch die großen Fragen des Lebens, die uns an unserer Partnerwahl zweifeln lassen: Wie kann sie nur an Gott glauben? Wie kann er nicht wählen gehen? Wie kann sich jemand darüber keine Gedanken machen? Wenn die Unterschiede zu groß erscheinen, fragen wir uns: Passen wir zusammen?

Daran zu zweifeln, ob wir mit unserem Partner oder unserer Partnerin zusammenpassen, ist ungefähr so, als würde man zwei Tafeln Schokolade auf einmal essen. Es macht uns nicht unbedingt glücklicher (weil dann wahrscheinlich keine Tafeln mehr Zuhause sind 😉), aber wir können es manchmal auch nicht lassen. Wäre es anders, würden Horoskope wohl keinen so selbstverständlichen Platz in Zeitschriften haben. Zu sehen, dass Steinbock und Schütze eine beinahe desaströse emotionale Verbindung haben, aber unglaublich im Bett harmonieren sollen, gibt uns das Gefühl von Sicherheit auf einem Gebiet, das unsicher und komplex erscheinen kann: die Liebe.

Horoskope, Orakel und die Frage, „passen wir zusammen“

Auch wenn ich jetzt eine Blase platzen lasse: Weder Horoskope, Orakel noch Tests können mit einer 100% Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wer mit wem zusammenpasst. Doch was sagen wissenschaftliche Studien dazu?

Psychologie und die Frage, ob wir zusammenpassen.

Eine 2019 erschienene Studie wertete die Dating-App Hinge aus. Das Ergebnis: Umso ähnlicher sich die Personen waren, desto attraktiver fanden sie sich und umso höher war die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auch im echten Leben trafen. Dabei untersuchte die Studie Wesenszüge (etwa Introvertiertheit und Extrovertiertheit), physische Merkmale (z.B. die Größe), persönliche Präferenzen (z.B. die Suche nach dem gleichen Beziehungstyp) und ähnliche Erfahrungen. Ihr Fazit: Gleich und gleich gesellt sich gern. Was wir aus dieser Studie sonst noch lernen könnten? Wenn du jemanden suchst, der aufgeschlossen, intelligent und gutaussehend ist, zeig der Welt ruhig, dass das auch auf dich zutrifft und versteck deine Größe nicht. Aber ob dadurch langfristige Prognosen gemacht werden können?

Die Person, in die du dich verliebst, ist nicht unbedingt die Person, die zu dir passt.

In den letzten Jahren ging ein Experiment viral, bei dem sich Menschen durch 36 Fragen ineinander verlieben sollten. Das Experiment wurde inzwischen immer wieder wiederholt und diskutiert. Doch Mandy Len Catron spricht in einem Ted-Talk auch aus, dass das Verlieben nicht das Schwierigste ist. Beziehungen und „staying in love“ sind viel anspruchsvoller. Die Person, in die du dich verliebst, ist nicht unbedingt die Person, die zu dir passt. Und Beziehungen brauchen Pflege.

Interkulturelle, binationale oder interreligiöse Paare

Die Frage, ob ihr zusammenpasst, kann dir auch von deiner Umwelt gespiegelt werden. Vielleicht hat dein Seelenverwandter eine andere Religion, eine andere Herkunft oder Schichtzugehörigkeit? Vielleicht wurde dir auch mal die Frage gestellt, in welcher Sprache ihr euch unterhaltet? Wenn Paare sozio-kulturelle Grenzen überwinden, kann ebenfalls die Frage laut werden, ob die Personen überhaupt zusammenpassen. Doch haben interkulturelle und interreligiöse Paare wirklich schlechtere Aussichten?

Unterschiedliche Herkunft, binationale Paare und interkulturelle Ehen: Passen wir zusammen?

Egal, ob ihr euch in eurer Muttersprache, eurer Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Schichtzugehörigkeit unterscheidet – es gibt keine eindeutigen Statistiken, die euch eine weniger rosige Zukunft prophezeien als „normalen“ Paaren. Rein statistisch gesehen, lassen sich binationale Paare oder interkulturelle Ehen ähnlich häufig scheiden wie Paare mit der gleichen Staatsbürgerschaft.

Auch in der Paartherapie erlebe ich, dass es nicht zwingend schlechter ist, wenn Menschen in unterschiedlichen Kontexten aufgewachsen. Erstens kann Differenz etwas sehr Anziehendes und Verbindendes haben. Zweitens kann niemand beurteilen, ob der Unterschied zwischen einem Berliner Stadtkind und einem Bayerischen Landei weniger klein ist als zwischen Personen, die in New York und London aufgewachsen sind. Was also entscheidet darüber, ob wir zusammenpassen oder nicht?

Passen wir zusammen? Ein Selbst-Test im wahrsten Sinne des Wortes

Es kann uns keine Studie der Welt, kein Horoskop oder Partnertest versprechen, dass wir mit dieser einen Person bis an unser Lebensende glücklich zusammenbleiben werden. Die einzigen Personen, die das können, sind du und deine bessere Hälfte. Deswegen stelle dir nicht die Frage: Passen wir zusammen? Sondern: Wie weit bin ich persönlich bereit, mich mit mir selbst auseinander zu setzen? Denn wenn dich etwas stört, hast du ein Problem – und nicht die andere Person. Deswegen ist eine Beziehung auch ein Selbst-Test im wahrsten Sinne des Wortes.

Wer sich selbst versteht, kann auch eine andere Person besser verstehen

In den interkulturellen Trainings, die ich gebe, ist der erste wichtige Schritt Selbsterkenntnis. Denn nur wenn ich mich verstehe, kann ich etwas an der Situation, die mich stört, ändern. Überhaupt kann ich erst dann eine andere Person verstehen, wenn ich mich selbst verstehe. Das ist ein wenig so wie mit der Selbstliebe. Dieses Wissen aus der Interkulturellen Kommunikation lässt sich problemlos auf eine Paartherapie anwenden. Schließlich geht es in beiden Kontexten darum, Akzeptanz und Verbindung zu schaffen, wo auch Missverständnisse, Streit, Ignoranz, Krisen und Frustration herrschen können.

Wenn mir zum Beispiel gar nicht bewusst ist, dass mich die laute Umgebung als hochsensible Person unter Stress versetzt, kann die andere Person noch so nette Worte verwenden, aber es wird sich nichts an der Umgebung ändern und ich bleibe angespannt. Wenn ich verstehe, dass Ordnung ein wichtiger Wert für mich persönlich ist und ich mich als Individuum wahrnehme, muss ich die Individualität einer anderen Person doch auch akzeptieren. Eine andere Person, mit einer anderen Erziehung, anderen Erfahrungen und Geschichten, verbindet weggeräumte Socken nicht unbedingt mit Ordnung.

Alternative Fragen zu „Passen wir zusammen?“

Selbsterkenntnis ist die Königsdisziplin in der Liebe. Denn sie öffnet dir viele Türen. Erstens wirst du eine andere Person nie verändern können. Du bist die einzige Person, die du verändern kannst. Anstatt zu fragen „passen wir zusammen“, horche einmal in dich hinein:

• Will ich Recht haben – oder will ich eine Beziehung, in der wir voneinander und miteinander lernen können?

• Was stört mich genau?

• Warum stört mich das?

• Kann ich gerade etwas dazu lernen: Geduld, Offenheit, Grenzen setzen, Kommunikationsfähigkeit?

• Wann habe ich aufgehört, meinen Partner für seine Unterschiede zu lieben? Denn am Anfang haben sie mich noch fasziniert.

Inspiration wirkt besser als jeder Vorwurf

Zweitens, wenn du jemanden verändern willst, dann geht das nur, indem du ein Vorbild bist. Wir sind alle in dem Alter, in dem wir uns ungern diktieren lassen, was wir zu tun haben. Dafür lassen wir uns umso lieber inspirieren. Wenn du mit Neugierde und Offenheit deiner Beziehung begegnest, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass dein Gegenüber dir gleichtut. Du musst natürlich nicht in einer Beziehung bleiben, die dir nicht guttut. Nur du kannst entscheiden, ob ihr zusammen passt oder ob ihr zusammen wachsen wollt.

Maya Angelou sagte einmal: „Love liberates – it does not bind.“ Du kannst deine Zweifel also dafür nutzen, dich von starren Denkkonzepten zu befreien. Beziehungen sind immer eine Frage an dich – und nie eine Anforderung an die Welt. „Passen wir zusammen“ ist eigentlich ein kleiner Selbsttest, bei dem deine Geduld, deine Offenheit, deine Kommunikationsfähigkeit getestet wird – und sie ist kein Grund zur Verunsicherung.

Jemanden zu wählen & zugleich gewählt zu werden, ist ein Privileg. – ein Geschenk! Wenn du dir darüber bewusst bist, bist du einen Schritt näher zu einer glücklichen Beziehung.

---

Auf meinem Blog findest du Wissenswertes über das Lieben: Von Interviews mit anderen Paartherapeut*innen, über Kolumnen über Emotionen, bis zu Tipps bei Beziehungsproblemen. Eben alles, rund um Beziehungen, Dating, Trennungen, Verlieben, Emotionen.

Wenn du mich noch mehr kennenlernen willst, vernetze dich doch mit mir auf Instagram!

Wenn du lieber der Video-Typ bist oder zwischendurch ein wenig Inspiration suchst: Ich habe auch ein paar YouTube-Videos auf meinem Kanal. Abonniere ihn doch!

Ich bin Dr. Sharon Brehm und ich bin davon überzeugt, dass Lieben leicht ist. Wenn du dieses Gefühl von Leichtigkeit in der Liebe und in deinen Beziehungen wieder erleben willst: Ich biete systemische Paartherapie und EFT-Paartherapie in München an.

Fotocredit: George Coletrain via unsplash