Zweifel an der Liebe sind normal
Sonntagabend, eine Maisonne, die endlich auch den Abend erhellt und eine liebe Freundin mitten im Gras. Zwischen Auslandspraktika und Südostasienreisen sehen wir uns viel zu selten, doch in so seltenen Momenten wie diesem merken wir, dass Zeit und Nähe nicht im Geringsten miteinander korrelieren. Meine Freundin erscheint wie eine dieser Personen, bei denen alles perfekt läuft. Oder zumindest oberflächlich gut: Im Studium hat sie gleichermaßen gelernt und gelebt. Ihr Start ins Berufsleben war reibungslos.Sie führt eine Traumbeziehung, lebt in einer Wohnung, die wahrscheinlich aus dem Kare Showroom in einen Münchner Altbau gebeamt wurde. Doch zwischen all dem Lachen und Glücklichsein sagt sie: „Ich weiß nicht, ob er der Richtige ist.“
Sind Zweifel in der Liebe normal?
Sie spricht von ihrem Freund, mit dem sie schon lange zusammen ist. Der genauso perfekt erscheint: intelligent, zielstrebig, das Herz am rechten Fleck. Doch auch mich verwirren diese Zweifel, die sich mit dem Geruch von feuchtem Gras in meinen Kopf vermischen. Sie versucht ihre Gedanken, ihre konfusen Vielleichts und ihr undefinierbares Unbehagen in Worte zu fassen. Doch die Suche nach einer Antwort, eine Ende der Zweifel kennen wir alle zu gut. Wir grübeln und zerdenken das sonst so leichte Gefühl des Verliebtseins, das erdende Gefühl von Liebe. Wie viel Zweifeln ist normal in der Liebe?
Die Statistiker von Elitepartner haben in ihrer letzten Studie 10.000 Personen auch zum Thema Zweifel in der Beziehung befragt. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern, dem Beziehungsstatus und dem Alter. Verheiratete zweifeln weniger als Singles. Jede vierte Frau und jeder fünfte Mann unter 30 wollen sich nicht festlegen. Ab 30 verschiebt sich die Unentschiedenheit zwischen den Geschlechtern. Dann sind sich Männer sicherer als Frauen. Wäre auch zu einfach, wenn wir zur gleichen Zeit zu dem Entscheidung kommen, wir müssten uns noch ausprobieren, wir hätten genug rumprobiert.
Welche Beziehungsprobleme sind ernst zu nehmen?
Doch in Momenten, in denen Zweifel laut werden, geht es nicht nur um deren bloße Existenz. Es ist die Panik, die mitschwingt, die aus vermeintlichen Lappalien bedeutungsvolle Beziehungskrisen macht. Wir zweifeln nicht an den unbequemen Kleinigkeiten, sondern sehen sie als Pars Pro Toto. Als kleines Zeichen für ein großes Ganzes. Denn sobald wir kritisch hinterfragen, wie wir lieben, wie wir geliebt werden - und ob das mit unserer Vorstellung zusammenpasst - fühlen wir uns mit uns selbst konfrontiert und unsere Welt gerät ins Wanken. Selbst der Großmeister der Psychoanalyse, Sigmund Freud, gibt diese Abhängigkeit zu: „Wer an seiner Liebe zweifelt, darf, muss doch auch an allem andern, geringeren, zweifeln.“
Die Familientherapeutin Shelly Bullard führt dies auf unsere Vorstellungen von Romantik zurück. Wir idealisieren Beziehungen über die Medien so sehr, dass wir vergessen, was Nähe auch bedeutet. Je stärker und intensiver die Verbindung zu einer anderen Person ist, desto mehr werden auch unsere Ängste (Eifersucht, Ablehnung, verletzt zu werden, …) aufgerührt. Sie geht sogar noch weiter: Dass Beziehungen mit Zweifeln durchsetzt sind, ist der Grund, warum wir sie eingehen. Nur so können wir wachsen. Jede Krise ist eine Chance.
Zweifle ich, weil dieser Schritt nicht gut für mich ist? Oder weil ich mich gerne sabotiere?
Ich bin mir nicht sicher, was ich mit diesen weisen Theorien machen soll, ob das meiner Freundin mit dem perfekten Leben helfen würde. War es in meinem Leben so, dass auch ich gezweifelt habe, bevor ich mich verändert habe, bevor ich den nächsten Schritt gegangen bin? Ich kann nur sagen, dass mich ein geringes Selbstwertgefühl oder die Angst, meine Möglichkeiten nicht zu nutzen, niemals vor banalen Entscheidungen heimgesucht haben. Nur Nähe schenkt uns die Möglichkeit kritisch zu sein und Zweifel gehören zu jeder Transformation. Rückblickend weiß ich, dass ich diese Zweifel gebraucht habe, um eine für mich richtige Entscheidung treffen zu können. In der Paartherapie sagen wir: Angst vor heißt auch Lust auf.
Wir brauchen Krisen um zu wachsen.
Plötzlich beginnt meine Freundin einen Witz über Finnen zu erzählen: „Ein altes, finnisches Ehepaar sitzt zusammen. Plötzlich beschwert sich die Frau. Die anderen bekommen dauernd Blumen und andere Liebesschwüre. Du sagst mir nie, dass du mich liebst. Er antwortet: Schatz, ich habe dir schon vor 30 Jahren gesagt, dass ich dich liebe. Wenn sich daran etwas ändern sollte, lasse ich es dich wissen.“
Sie redet weiter: “Ist das nicht schön? Manchmal wäre ich gerne standfester und sicherer und vor allem ohne das Bedürfnis jeden Gedanken zu analysieren. Mein Freund kennt jeden meiner Gedanken, weil wir ehrlich zueinander sind, das ist fast das Wichtigste in unserer Beziehung. Ich weiß ganz schön oft nicht, was ich möchte. Doch nach jeder Krise weiß ich mehr, wie wichtig er für mich ist.” Ja, wir brauchen Krisen um zu wachsen. Zweifel sind normal.
Das Original erschien auf Zeitjung.de
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