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Wie wichtig ist Romantik in einer Beziehung? Oder auch: Warum ich als Paartherapeutin keine Romantikerin bin

Wer mich kennt, wird nach dieser Überschrift erstmal lachen – oder zumindest schmunzeln. Warum sollte eine Paartherapeutin sagen, dass sie keine Romantikerin ist? Vor allem eine, die wie ich an die Liebe glaubt und die über Gefühle redet als wären sie ihr Abendessen – und hört man nicht überall, wie wichtig Romantik für eine Beziehung sei?

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Natürlich glaube ich an zauberhafte Verbindungen zwischen Menschen, an magische Beziehungen, an Begegnungen, die schöner sind als jeder Hollywood-Film. Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht nur daran, ich habe sie oft genug erlebt und kenne auch genügend Personen, die dieses intensive Gefühl von Glück, Ekstase, Frieden und Anziehung erlebt haben. Und trotz dessen bin ich keine Romantikerin. Doch um zu verstehen, was ich meine, braucht es einen Blick in die Geschichte von Beziehungsidealen.

Ist Romantik wichtig für unsere Beziehungen oder prägt sie nur einfach unser heutiges Liebesideal?

Das ist eine wichtige Unterscheidung. Wir hören schließlich oft, dass Romantik wichtig für unsere Beziehung ist. Doch wenn rote Rosen, Kerzenschein und schöne Worte für gelingende Beziehungen reichen würden, bräuchten Menschen wohl keine Paartherapie mehr.

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Dazu kommt: Viele unserer romantischen Ideen haben wir tatsächlich auch aus der Epoche der Romantik. Gefühle, Liebe, Sehnsüchte, aber auch um Mystik und Idealisierung sind Elemente, die wir der Romantik verdanken.

In der Epoche der Romantik (Ende des 18. Jahrhunderts) begannen Menschen, für ihre Liebe gegen Konventionen zu rebellieren. Für die Romantiker*innen war es kein Heiratsgrund mehr, dass der eine Acker neben dem anderen lag. (Der Vollständigkeit wegen: Es hat dann trotzdem noch etwas gedauert, bis die Liebesehe alle Gesellschaftsschichten durchdrungen hat) Dass wir unsere Partner*innen selbst wählen können, ist ein Privileg, das wir der Romantik verdanken.

Doch trotz allem sind allein romantische Gesten - und diese verbinden wir am meisten mit Romantik - selten die Lösung für unsere Beziehungsprobleme. Außerdem bringt die Romantik auch Beziehungsideale mit sich, die ich persönlich kritisch sehe.

Welche Ideale der Romantik sind heute noch wichtig für unsere Beziehung?

1. Dating ist wichtiger als die Beziehung selbst

Hast du dich schon einmal gefragt, warum Hollywood immer nur zeigt, wie Paare zusammenkommen? Oder wie es nach dem Ende des Films weitergeht? Bis auf einige Ausnahmen zeigt uns Hollywood vor allem, wie Paare zusammenkommen und welche Hindernisse beim Kennenlernen auf uns warten. Dating scheint als die wichtige und spannenste Etappe einer Beziehung – danach kann es nur noch langweilig/anstrengend/gefährlich werden.

Ohne Frage kann sich das Zusammenkommen schwierig gestalten: Vom Finden der passenden Person bis zum erneuten Vertrauen. Aber das Zusammenkommen nimmt für die meisten einen relativ kurzen zeitlichen Aspekt ein – und wie es auf eine harmonische, ausgeglichene, spannende Weise weitergehen kann, bleibt oft unerzählt.

2. Es muss von Anfang an perfekt sein

Weil der Anfang einer Beziehung in der Romantik im Mittelpunkt steht, muss auch von Anfang an Alles perfekt sein. Dass Ergebnis ist oftmals, dass wir unseren Herzensmenschen idealisieren oder dass wir uns bemühen, selbst möglichst fehlerfrei zu sein. Wir sind extra cool, besonders charmant, haben keine Ansprüche und sind für jeden Spaß zu haben, wir haben keine Schulden und keine Krankheiten und mit den Ex-Partner*innen war Alles immer easy. Doch wo Perfektion sein muss, ist kein Raum für Verletzlichkeit und Menschlichkeit – und damit auch kein Platz für echte Intimität und Authentizität.

3. Eine Beziehung darf keine Arbeit sein

Wir müssen für unser Geld arbeiten, wir müssen an unserem Körper arbeiten, für müssen sogar mit unseren Tieren arbeiten – nur in unserer Beziehung haben wir dies – so hoffen wir insgeheim - nicht nötig. Wir sind ja schließlich perfekt. Und weil wir ohne Makel sind, haben wir auch das Anrecht auf bedingungslose Liebe. Deswegen reicht es auch, wenn ich nach einer Affäre Blumen mitbringe oder sexy Dessous anziehe für mehr Erotik oder Kerzen anzünde für intime Gespräche.

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4. Sex und Gefühle sind unweigerlich miteinander verbunden

Eine weitere romantische Idee ist, dass Sex und Gefühle unweigerlich miteinander verbunden sind. Wenn ich jemanden liebe, dann ist der Sex auch gut. Und wenn der Sex gut ist, dann bin ich auch verliebt. Und dass Sex und Gefühle unabhängig voneinander existieren klingt ziemlich skandalös aus romantischer Sicht.

5. Die Romantik hat kein Auge für den Alltag

Wer sich Bilder von Caspar David Friedich anschaut, sieht Natur und mysteriöse Landschaften. Die Motive der Romantik drehen sich um Sehnsucht, Liebe, das Unheimliche, Fernweh, aber auch politische Motive wie Weltflucht und Kritik an der Gesellschaft und Politik. Da ist natürlich wenig Platz für alltägliche Themen, wie Wäsche waschen, Bad putzen und Finanzplanung. Dass wir diese Themen in unseren Beziehungen als störend wahrnehmen anstatt als Normalität begreifen, ist ebenfalls auf die Romantik zurück zu führen.

Wichtiger als Romantik ist ...

Die Romantik hat mit ihrem Blick für Gefühle und ihrer Begeisterung für Beziehungen natürlich ihre Berechtigung und ich würde lügen, wenn ich den Reiz von Liebesbriefen und Blumen verleugnen würde. Das Problem ist nur, die oben genannten Gründe, führen dazu, dass wir an uns selbst zweifeln und die Chance verpassen, echte und authentische Beziehungen zu leben.

Wir reden mehr über das Kennenlernen und interessieren uns mehr für Tinder-Stories als für echte Beziehungsthemen (die sind langweilig oder schambesetzt). Wir finden es lächerlich über Gardinen und Finanzen zu streiten. Wir denken, dass etwas falsch mit uns, wenn wir nicht bedingungslos lieben. Aber die Beziehung zwischen Erwachsenen ist nunmal an Bedingungen geknüpft - die zwischen Eltern und Kindern nicht. All diese Zweifel und Vorstellungen schmerzhaft.

Versteht mich bitte nicht falsch, romantische Ideen haben ihre Berechtigung und jeder darf glauben, was er mag. Mein Gefühl ist nur, dass uns alternative Beziehungsideale fehlen – und dies möchte ich eben nachholen. Eine Möglichkeit ist sich an Ideen der Antik und Klassik zu orientieren.

Anstatt Romantik ein bisschen mehr Klassik:

1. Es gibt verschiedene Typen von Lieben

Die Storyline der Romantik lautet häufig: Verlieben ist der Höhepunkt der Bauchgefühle und danach geht es bergab. Platon hat im Vergleich dazu beschrieben, dass es verschiedene Typen von Liebe gibt. Mal ist Liebe eher sinnlich und erotisch, mal eher freundschaftlich, mal eher pragmatisch. Anstatt in Panik zu verfallen, weil die erste Verliebtheitsphase vorüber scheint, schlage ich vor, auch andere Formen von Liebe zu feiern. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses Gefühl von Kribbeln im Bauch wieder kommt. Panta rhei – Alles fließt. Und das gilt auch für die Liebe.

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2. Das Ziel von Beziehungen ist gemeinsam zu wachsen

Rote Rosen und Schokolade sind schön. Aber der größte Liebesbeweis, den mir persönlich jemand erbringen kann, ist gemeinsam mit mir zu wachsen und mich in meinen Makeln zu sehen und zu akzeptieren. Solange wir an einem romantischen Beziehungsideal festhalten, glauben wir auch, dass wir perfekt sein müssen und können Kritik nicht annehmen.

Wenn wir uns bewusst werden, dass Beziehungen das Ziel haben, darin zu wachsen, merken wir, dass wir keine Angst haben müssen, nicht mehr liebenswert zu sein. Wir merken, dass alles, was uns nervt, mehr mit uns selbst zu tun hat als mit unserem Herzensmenschen. Oder dass es nicht darum geht, sich zu rechtfertigen oder die Schuld hin und herzuschieben, sondern dass Ehrlichkeit auch Intimität bedeutet. Oder dass wir alle noch lernen können, wie wir gut lehren und lernen können. Mit den Worten Sokrates: “Es gibt nur ein Gut, Wissen, und ein Übel, Unwissenheit.”

3. Der Fokus liegt auf dem Zusammenbleiben, anstatt auf dem Kennenlernen

Die Romantik ist so, als würden wir uns immer nur auf das Bewerbungsgespräch und maximal auf die Probezeit vorbereiten, ohne daran zu denken, wie es weitergehen darf. Doch wie lange würden wir einen Mitarbeiter behalten, der nach der Probezeit kein Interesse mehr hat, etwas zu investieren?

Dating hat seine eigene Komplexität - natürlich - aber sie ist eben auch nur eine Station. So wie eben Frühling nur eine Jahreszeit ist.

4. Erotik kann weiter definiert werden

Es wäre zu platt zu sagen, dass Sex nur mit Gefühlen funktioniert. Es wäre naiv zu glauben, dass Sex nur und einzig romantisch sein kann. Denn Sex ist eben nicht nur sauber, nach den Regeln und unschuldig – Sex kann und darf auch wild und feucht und dreckig sein. Vielleicht hat Aristoteles nicht an Sex gedacht, als er das geschrieben hat, aber der Moment sich fallen zu lassen und eigene Regeln zu zweit zu definieren, ist wichtig für Erotik. Und ist es nicht auch ein bisschen verrückt, sich in einer so perfektionistischen Welt verletzlich und authentisch zu zeigen 😉 “There is no genius without a touch of madness.”

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5. Logik ist genauso wichtig für Beziehungen wie Emotionen

“Educating the mind without educating the heart is no education at all”, sagte Artistoteles. Wissen und Wissenschaft sind so fundamentale für griechische Philosophen. Zu erforschen, zu erkunden und eigene Hypothesen kritisch zu hinterfragen, ist absolut normal für diesen Zeitgeist. So wichtig mir Emotionen und Gefühle sind, genauso wichtig ist es mir als Wissenschaftlerin einen Blick in die Forschung zu werfen.

Wer sich näher einlesen mag, dem lege ich die Bindungstheorie und Emotionsfokussierte Therapie, genauso wie Therapien nach Gottman sehr ans Herzen. Beide Richtungen führten zahlreiche Studien zur Wirksamkeit und glücklichen Beziehungen durch. Welche Ideen übernehmt ihr aus der griechischen Philosophie?

Womit könnt ihr euch anfreunden? Schreibt es mir gerne in die Kommentare!


Ich bin Dr. Sharon Brehm und biete systemische Paartherapie und EFT-Paartherapie in München an. Meine Praxis für Einzel-und Paartherapie ist im Zentrum Münchens.

Auf meinem Blog findest du Wissenswertes über das Lieben: Von Interviews mit anderen Paartherapeut*innen, über Kolumnen über Emotionen, bis zu Tipps bei Beziehungsproblemen. Eben alles, rund um Beziehungen, Dating, Trennungen, Verlieben, Emotionen.

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Fotocredit: Diego Rezende via unsplash