Love Moves

View Original

Marriage Story: 5+5 Dinge, die wir über Beziehungen lernen können

Wie kann es sein, dass Menschen, die sich einmal liebten, sich während der Scheidung so wehtun? Warum ist der Begriff „Rosenkrieg“ so präsent in unserer Sprache? Und wie können wir es anders, besser machen? Der bereits mit einigen Awards ausgezeichnete Film Marriage Story (läuft bei Netflix) zieht seine Zuschauenden in das Leben, die Liebe und die Scheidung von Charly und Nicole. Gerade weil der Film eine ganz eigene Tragik zwischen Frust und Einsamkeit, Humor und Mitgefühl beschreibt und nicht die typischen Hollywood-Klischees von immer perfekten, immer gleich ablaufenden Liebesgeschichten, halte ich ihn wertvoll für Paare und Singles. Marriage Story lebt von einer viel zu selten porträtierten Echtheit.

Anstatt Ehe und Beziehungen nun zu verteufeln, weil jede Liebe zum Scheitern verurteilt sei, möchte ich dazu einladen, aus Marriage Story und aus der Trennung von Charly und Nicole zu lernen. Diese Kritik an Marriage Story ist ein Perspektivenwechsel. Sie bietet Insiderwissen aus der Paartherapie. 5+5 Dinge, die wir aus Marriage Story lernen können. 5 Dinge, die wir generell über Trennungen lernen können. 5 Dinge, die wir über Streit lernen können.

Doch beginnen wir mit dem Trailer zu Marriage Story

Um was geht es bei Noah Baumbachs Film Marriage Story? Nicole und Charly, wunderbar inszeniert von Scarlett Johansson und Adam Driver, sind ein junges Paar. Die Schauspielerei verbindet sie – und trennt sie zugleich. Sie haben einen gemeinsamen Sohn. Und müssen einen Weg durch den amerikanischen Scheidungsdschungel finden. Die Kamera filmt den Herzschmerz, die schnelle Eskalation, den Streit, die Einsamkeit. Das Ende einer Beziehung. Den Anfang von etwas Neuem. Und gerade deswegen können wir alle viel aus dem Film mitnehmen.

#1 Eine Trennungen sagt nichts über dich als Person aus.

Charly und Nicole sind weder neurotische Wracks noch unsympathische Egomanen. Charly und Nicole sind unglaublich menschlich. Trotz der Scheidung ist ihre Interaktion irgendwie liebevoll, als ZuschauerIn merkt man, dass sie etwas verbunden hat. Und immer noch verbindet. Dass es nicht nur ihr gemeinsames Kind ist. Und das ist auch schon das erste Learning: Scheidungen und Trennungen sagen nichts über die Personen aus, sondern etwas über Beziehungskonstellationen und zwischenmenschliche Dynamiken.

Bei Trennungen suchen wir oft Fehler und Schuld. Bei sich und dem anderen, den Umständen. Doch der Film zeigt , wie wenig sinnvoll diese Schuldzuweisungen sind. Denn keiner von beiden ist an sich ein schlechter Mensch – und man würde dem Paar trotz Seitensprung und Differenzen wünschen, wieder zueinander zu finden. Beide hatten ihre Gründe so zu handeln, wie sie es eben taten. Marriage Story zeigt, dass Beziehungen einfach komplex sind, dass der Partner oder die Partnerin uns auf eine Art und Weise kennenlernt, wie nur wenige andere. Dass wir alle noch lernen müssen, Dynamiken in der Liebe kontrollieren zu können. Dass Scheidungen nicht an Status oder Geld oder Aussehen oder Zeit geknüpft ist – sondern an Muster, die wir selbst kultiviert und verfestigt haben, und die nur wir selbst ändern können.

#2 In einer Beziehung geht es nicht darum, Recht zu bekommen, sondern sich gegenseitig anzuerkennen.

„I never really come alive. I was just feeding his aliveness.” Dieser Schlüsselsätze lässt uns verstehen, warum Nicole die Scheidung eingereicht hat. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Wünsche in der Beziehung nicht gehört wurden – dass Charly sie nicht ernst genommen oder als eigenständiges Wesen gesehen hat.

Wir werden (zumindest nicht in diesem Film) erfahren, wie oft oder wie vehement Nicole Charly von ihren Wünschen und Bedürfnissen erzählt hat. Oder wie oft Charly ihre Bedürfnisse ignoriert hat. Wir werden nicht erfahren, was die Wahrheit ist. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo zwischen einem Mann, der sich auf seine Karriere fokussierte, und einer Frau, die sich über ihre Familie definierte. Wir werden die Wahrheit nicht erfahren. Und deswegen gebe ich Paaren auch in einer Paartherapie folgendes mit: In einer Beziehung geht es nicht darum, Recht zu haben. Es geht um Bedürfnisse, und die sind eben subjektiv.

Dabei gilt: JedeR muss selbst Verantwortung für seine bzw. ihre Bedürfnisse übernehmen. Das bedeutet, sie einerseits mitzuteilen (ohne enttäuscht zu sein, dass einem der Wunsch nicht von den Lippen abgelesen wurde) und die Bedürfnisse anderer genauso ernst zu nehmen (ohne sich davon eingeengt zu fühlen).

Wie es im Fall von Charly und Nicole hätte aussehen können „Give me a hug and say, Baby I’m so excited about your adventure. Of course I want you to have a piece on earth that is yours.” Ziemlich simple, aber die Lösung ist tatsächlich oft erschreckend einfach.

#3 Investiere in deine Beziehung, solange du es noch kannst.

Etwas das zwischen den Zeilen hängt, ist das Gefühl, dass die beiden zu spät angefangen haben, sich mit ihrer Beziehung und mit sich selbst auseinanderzusetzen. Nicole hatte wahrscheinlich zu lange the „disease to please“. Zu lange wollte sie gefallen, bis sie irgendwann erschöpft aufgegeben hat. Charly hatte zu lange mit der Verantwortung gekämpft, in der er weder sich noch Nicole wirklich gesehen hat. Die Veränderungen sind über das Paar hineingebrochen, so scheint es, anstatt dass das Paar diese bewusst und im Konsens herbeigeführt hätte.

Wir alle tendieren dazu zu glauben, wir hätten noch eine Ewigkeit mit der Person, die wir lieben. Wir hätten Zeit, um die Versprechungen noch später zu erfüllen (weil uns unsere Liebsten im Vergleich zum Job schon nicht weglaufen werden). Oder wir glauben, wir könnten uns auch noch morgen entschuldigen. Oder dass der Status Quo, wenn er gut ist, für immer und auch ohne unser Zutun so bleibt. Veränderungen passieren, egal, ob wir uns damit auseinandersetzen oder nicht – und Veränderungen können eben Beziehungskrisen hervorrufen.

Beziehungen verändern sich, so wie wir uns eben verändern. Und gerade deswegen müssen wir in Beziehungen investieren, solange sie gut laufen. Beziehungen wollen bewusst gelebt, erlebt, kreiert, geschaffen werden.

#4 Gefühle sind nicht immer geradlinig und eindeutig – lerne sie zu lesen.

Marriage Story zeigt uns auch, dass Emotionen nicht immer laut und eindeutig sind. Emotionen sind nicht linear. Wie komplex unser Umgang mit Gefühlen ist, zeigt zum Beispiel eine Szene relativ am Anfang. Nicole redet sehr kühl und distanziert mit Charly über das Stück. Im warmen Licht der Wohnzimmerlampe spielt sich eine Konversation ab, die einerseits oberflächlich ist und andererseits von einer erzwungenen emotionalen Entfernung getragen ist. Kurz nachdem Nicole schließlich das Zimmer verlässt, beginnt sie zu weinen.

Auch der Moment, in dem Charly die Scheidungsdokumente bekommt, verdeutlicht, dass große Emotionen nicht zwangsweise mit großen Gesten einhergehen. Anstatt zu schreien oder zu weinen, atmet er nur tief ein. Mit seiner Hand klammert er sich an den Küchentresen. Er versucht sich selbst zu beruhigen, eine Lösung oder eine rationale Erklärung zu finden, obwohl gerade seine Welt auseinander zu brechen scheint.

Beide Szenen zeigen, dass Emotionen nicht immer linear sind. Manchmal ist Stille sogar ein Zeichen von einem Emotionsoverload. Wenn Gefühle zu schlimm und zu schmerzhaft werden, betäuben wir uns, wir ignorieren den Schmerz. „It is not as simple as not being in love anymore.”

#5 Klarheit schützt euch vor Katastrophen

Was die Scheidung so teuer und die Trennung so schmerzhaft macht, erkläre ich aus der Paartherapie durch die fehlende Klarheit. Und tatsächlich ändern sich die etablierten Regeln, Gewohnheiten und Rollen mit einer Trennung. Dieser neue Verhandlungsraum ist wichtig – kann aber auch zu Verletzungen führen, wenn er nicht positiv genutzt wird.

Auch im Film Marriage Story verpassen die Protagonisten es, diesen Raum gut zu nutzen. Beim Zuschauen hatte ich das Gefühl, alles würde verschwimmen. Es werden entgegen der ursprünglichen Abmachung Anwälte eingeschaltet, vertrauliche Informationen werden vor Gericht gegen einen verwendet, gemeinsame Erinnerungen neu bewertet. Aus unklaren Vereinbarungen, Verantwortungen und unterschiedlichen Sichtweisen auf die Vergangenheit entsteht Frustration und Enttäuschung. Für sich und alle involvierten Personen Klarheit zu schaffen, kann einen Trennungsprozess erleichtern.

5 Dinge, die Marriage Story uns über Streit lehrt

Eine für mich so sinnbildliche und wichtige Szene in Marriage Story ist jener Streit, der in nur wenigen Minuten katastrophal eskaliert. Wut, Beleidigung, Tränen. Sich im Kreis drehen, gegenseitig Vorwürfe machen, fehlendes Zuhören. Ein scheinbar normales und neutrales Gespräch endet mit wirklich verletzenden Worten, Tränen und einem Loch in der Wand. Doch auch wenn die meisten Meinungsverschiedenheiten nicht so intensiv werden, können wir alle von Nicole und Charly etwas über Streit lernen.

#1 Ihr seid in keinem Wettkampf darüber, wer mehr leidet oder mehr geopfert hat.

Es geht euch beiden schlecht. Wenn einer verliert, verlieren beide. Ich-Botschaften sind normalerweise eine sehr gute Idee. Aber wir dürfen sie nicht dafür missbrauchen, dem/der anderen die Schuld zu geben, ein schlechtes Gewissen zu verursachen oder eben in einen Wettstreit zu gehen, wen die Trennung am meisten verletzt.

#2 Geh auf jedes Friedensangebot ein – egal, wie klein es ist.

Im Streit sind wir alle oft nicht zu großen Zugeständnissen bereit. Aber jeder kleine Schritt Richtung Frieden ist ein Schritt. Nur so könnt ihr die Streitspirale verlassen.

#3 Höre der anderen Person zu und finde heraus, um was es wirklich geht.

Es scheint so simpel, doch die meisten Streitigkeiten eskalieren, weil wir der anderen Person nicht mehr zuhören. Gerade im Streit müssen wir der anderen Person wirklich zuhören, manchmal zwischen den Zeilen lesen und herausfinden, was das eigentlich Thema ist. Spiegeln kann eine wunderbare Technik sein. Öl ins Feuer gießt hingegen wer jedes Wort in seiner lexikalischen Bedeutung nachschlagen will und oder die andere Person berichtigen möchte. Wenn es dir nur um deine Befindlichkeiten geht und dir die andere Person egal ist, ist ein Streit nicht der richtige Weg. Konstruktiv mit einem Streit umzugehen, bedeutet den Fokus auf Bedürfnisse zu legen und nicht um jedes. einzelne. Wort. zu. kämpfen.
Indem das Paar sich über Wörter streitet, verliert es den Fokus und kommt keinen Schritt weiter. Weder bekommt Nicole das Verständnis, welches sie sich von Charly wünschen würde, noch weiß Charly am Ende, warum Nicole ihn verlassen hat. Und erst Recht nicht, sind die beiden sich als Freunde oder Eltern eines Sohnes näher gekommen. Einfach nur schade.

#4 Bleibt bei einem Thema pro Streit – ansonsten verliert ihr euch nur in Vorwürfen.

Auch Charly und Nicole haben die Tendenz, von einem Thema zum nächsten zu springen. Aus diesem thematischen Um-Sich-Schlagen entstehen immer mehr Vorwürfe bis schließlich die gesamte Beziehung als einzige Katastrophe gesehen wird. Im Streit fallen plötzlich Sätze wie „You are all the bad things.“ oder „You hated me.” Solche Sätze fallen als Resultat von absoluter Ohnmacht. Das Paar hat sich durch dieses Themenhopping, durch den Mangel an Empathie, durch fehlendes Zuhören in eine Strudel hineinmanövriert, in dem jeder den anderen nur noch verletzen will. Dabei ist wahrscheinlich keiner der Sätze wahr.

#5 Du kennst die Red Flags – und im Streit sind sie absolut tabu.

Wir alle haben Themen, auf die wir besonders empfindlich reagieren. Themen, die uns in unserem Selbstbild und Selbstwert stärker beeinflussen als andere. Gerade weil das Erzählen dieser Themen mit einer besonderen Nähe und Intimität einhergeht, bitte ich euch diese nicht als Waffen gegen den oder die andere zu verwenden. Die daraus resultierenden Verletzungen sind oftmals schwerwiegend. Typische Red Flags sind Vergleiche mit den Eltern, Geheimnisse oder Krankheiten einer Person.

Wie hat euch der Film gefallen? Und was konntet ihr noch aus Marriage Story mitnehmen – ich freue mich über Kritik und Meinungsaustausch. Sollte euch der Artikel gefallen haben, teilt ihn gerne mit euren FreundInnen, PartnerInnen und anderen Interessierten.


Auf meinem Blog findest du Wissenswertes über das Lieben: Von Interviews mit anderen Paartherapeut*innen, über Kolumnen über Emotionen, bis zu Tipps bei Beziehungsproblemen. Eben alles, rund um Beziehungen, Dating, Trennungen, Verlieben, Emotionen.

Wenn du mich noch mehr kennenlernen willst, vernetze dich doch mit mir auf Instagram!

Wenn du lieber der Video-Typ bist oder zwischendurch ein wenig Inspiration suchst: Ich habe auch ein paar YouTube-Videos auf meinem Kanal. Abonniere ihn doch!

Ich bin Dr. Sharon Brehm und ich bin davon überzeugt, dass Lieben leicht ist. Wenn du dieses Gefühl von Leichtigkeit in der Liebe und in deinen Beziehungen wieder erleben willst: Ich biete systemische Paartherapie und EFT-Paartherapie in München an.