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Müssen wir uns zwischen Freiheit und Sicherheit in Beziehungen entscheiden?

„Freiheit oder Sicherheit?“ Ein Unbekannter stellt mich auf einer Party vor die Wahl. Das Geburtsagskind hat sich überlegt, allen Gästen fragen zu geben. Ein Kennenlernspiel, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Ich antworte wie ich es in der Paartherapie predige: „Beides.“ – „Das ist nicht die Frage. Du musst dich entscheiden.“ Blödes Spiel – blöde Frage.

 

Freiheit oder Sicherheit? Warum wir beides brauchen.

Mir steht Pauschalität nicht steht, aber genauso wenig passt eine tiefgründige Diskussion nicht zu lauten Abenden in einer Bar. An dieser Frage stört mich, dass sie mir so vertraut ist. Fast jede größere Lebenskrise ist auf die Entscheidung zwischen einer sicheren Option und ungewissen Abenteuern zurückzuführen. Doch diese Gegenüberstellung gibt mir nicht das Gefühl weise zu sein. Ich fühle ich mich bei ihr eher wie eine McDonalds-Mitarbeiterin, die „Ketchup oder Mayo?“ fragt. Dabei löst dieses Entweder-oder selten das Dilemma.

Sicherheit ist für mich ein Synonym von Nähe und Geborgenheit. Ich schmiede gerne Pläne, kann herrlich rational sein. Außerdem brauche ich Struktur und Ordnung, will nach dem Reisen einfach heimkommen können. Ich sehne mich nach Orten, die sich nicht verändern und immer die Idylle bleiben, die ich dort erlebt habe. Loyalität gehört nicht nur zu meinen wichtigsten Werten, sondern auch zu denen meiner Freundinnen, die ich zum Teil schon über 15 Jahre lang liebe.

Doch genauso brauche ich Autonomie, Wandel, Veränderung. Freiheit hat für mich viel von Leidenschaft und Mut, bedeutet für mich loslassen zu können, um freie Fälle zu genießen. Keine Routine, keine Langeweile, keine Konventionen. Ich liebe meine Impulsivität und meine Lust an Neuem haben mir so einige Glückmomente beschert.

Freiheit oder Sicherheit - wir brauchen beides. Doch können wir das von der gleichen Person bekommen?

 

Nur wir selbst können Beziehungen kreieren, die sowohl Sicherheit als auch Freiheit schenken

Das Problem ist, dass wir nicht gelernt haben aus dieser Entweder-oder-Frage eine Sowohl-als-auch-Antwort zu kreieren. Wir haben gelernt, dass wir nur eines haben können. Wir denken, Sicherheit engt uns ein, Freiheit ist ein Risiko – unsere Erfahrungen sind in Schwarz-weiß gedreht. Also leben wir danach. Beispiele, in denen wir uns nur eines von beiden erlauben? Wir glauben, weil wir jeden Morgen neben der gleichen Person aufwachen, wüssten wir schon alles von ihr. Weil wir schon tausend Mal Sex mit dieser Person hatten, denken wir, dass 1001 Mal wäre genauso. Wir denken, weil wir noch nie den Körper dieser fremden Person gespürt haben, wartet dort auf uns eine neue Welt. Wir meinen, weil wir die Person nur kurz kennen, wären wir nicht für die andere Person verantwortlich.

Dabei wissen wir schlussendlich nie, ob wir richtig wählen, ob die sichere Option 1:1 so abläuft, wie wir uns das vorstellen oder ob das Abenteuer uns neue Erfahrungen bringt. Wenn wir einen risikoarmen Job und gut Geld verdienen möchten, kann das Jurastudium auf der Pro-Contra-Liste sicherlich überzeugen. Aber wer eine Garantie braucht, kauft sich lieber einen Toaster. Denn was passiert, wenn das Studium für den sicheren Job schlichtweg nicht zu uns passt, wenn wir uns oder unsere Lebensumstände doch noch ändern? Kommt vor, habe ich gehört. Dann ist auch das Jura-Studium nicht mehr die sichere Job-Option. Umgekehrt, auch Abenteuer verlieren irgendwann ihren Reiz, sind irgendwann weniger neu und überraschend als man denkt. Es kommt ein Punkt, an dem neue Städte ihren Reiz verlieren, an dem der One-Night-Stand mehr Routine ist als Überraschung. Abenteuer können erschreckend langweilig werden.

 

Du bist mehr als gesellschaftliche Vorstellungen

Sicherheit und Freiheit sind gedankliche Konstrukte. Also produzieren wir selbst den Gedanken, sie wären unvereinbar. Ich lade nun dazu ein, an unseren Denkmustern zu arbeiten, anstatt unser Beziehungsleben in Schablonen zu zwängen? Vielleicht würden wir uns dann eher fragen, welche Abenteuer wir mit unseren langjährigen Partners-in-Crime erleben, wie wir Rentenversicherungen mit unserem Leben als Großstadtboheme vereinbaren oder womit wir unsere Begeisterungsfähigkeit konservieren könnten?

Mein Tipp: Ignoriert große, leere Konzepten mit denen ihr aufgewachsen sein und kreiert selbst, was ihr unter Freiheit und Sicherheit versteht. Stellt präzisere Fragen! Denn wenn ihr selbst ins Handeln kommt, geht es nicht mehr um Optionen und darum etwas auszuschließen. Durch eigene Reflexion und selbstmächtiges Handeln könnt ihr herausfinden, was ihr warum wollt und wie ihr es bekommt. Es geht doch um uns, um unsere Beziehung, um unsere Definition von Glück. Gleichzeitig muss ich euch warnen. Denn es bedeutet wahrscheinlich auch einmal dorthin zu sehen, wo es schmerzt. Zu erkennen, dass wir manchmal spießiger sind als wir es gerne wären (weil Monogamie ja doch ganz nett sein kann) oder ängstlicher (weil es keinen Grund gibt, nicht die Zelte abzureißen) oder, oder, oder. Aber gut, das echte Leben lässt sich schwer in Kategorien sortieren – warum sollten wir es dann mit unseren Fragen tun?


Das Original erschien bei Zeitjung.de

Bildquelle: Michael Hull unter CC0 1.0